Beweissicherungsgutachten

Beweissicherungsfunktion

Gerade bei kleineren und mittleren Schäden scheint häufig ein Kostenvoranschlag ausreichend zu sein. Doch manchmal gibt es im Verlauf der Schadenregulierung Unstimmigkeiten über den Unfallhergang. Klassiker sind die Parkplatzunfälle. Jeder will bereits gestanden haben. Wenn der Schaden nach Kostenvoranschlag beseitigt wurde, sind die Spuren am Fahrzeug nicht mehr auswertbar. Bilder eines Gutachtens können aber, wenn sie gut gemacht sind, Anknüpfungspunkte für eine Rekonstruktion sein.

Einen weiteren Aspekt dokumentieren Tag für Tag die Versicherer: Gutachten werden bei den Gesellschaften gescannt und elektronisch aufbewahrt. Dabei verlieren die Bilder an Qualität. Oft meldet sich der Versicherer beim Gutachter, er könne den Schaden auf den Bildern nicht erkennen. Der Gutachter möge die Bilder als Dateien zur Verfügung stellen. Bei einem nicht oder knapp bebilderten Kostenvoranschlag hätte der Versicherer von vornherein nichts erkennen können.

Gerne wird ein Schaden bestritten. Ist bereits repariert, ist nichts mehr zu sehen. Beim Rechtsstreit ist der Werkstattmitarbeiter Zeuge für das Vorhandensein des Schadens. Das ist Zeitverschwendung vor Gericht, und mancher Richter hat bei der Bewertung der Zeugenaussage im Hinterkopf, dass die Werkstatt ein Interesse an der Ausweitung des Schadens habe. Letztlich ist der Vorgang zum Zeitpunkt der Verhandlung oft so lange her, dass die Erinnerung an den Schaden schwammig wird. Sagt der Zeuge dies, ist der Kunde verstimmt.
Prognoserisiko

Manchmal ist der Schaden später größer, als er vorher scheint. Die Rechtsprechung ist eindeutig: Das Prognoserisiko trägt der Schädiger. Denn das Recht auf den Gutachter basiert auf dem Gedanken der Waffengleichheit. Der Geschädigte ist Laie, die Versicherung ist aufgerüstet mit Experten. Der Laie steht hohem technisch-kalkulatorischem Sachverstand gegenüber, dem er nicht trauen muss. Er darf „aufrüsten" und sich den ihm fehlenden Sachverstand hinzukaufen. Genauso wird auch das Recht auf den Rechtsanwalt begründet. Wenn das Recht auf die Beiziehung eines neutralen Gutachters damit begründet wird, dass der Geschädigte die ihm fehlenden Kenntnisse hinzukaufen darf, dann ist es eine zwingende Folge, dass er den Ergebnissen des Gutachtens Glauben schenken darf. Auf der Grundlage der Expertise darf er Entscheidungen fällen. Zeigt sich dann im Nachhinein, dass weitere Schadenzonen vorhanden sind, die der Gutachter zuvor nicht sehen konnte, können Kunde und Werkstatt die Ruhe bewahren. Dieses Risiko ist allein vom Schädiger zu tragen. Die Bindung des Werkunternehmers an von ihm erstellte Kostenvoranschläge kann strenger beurteilt werden.